Hoopoe on a Hill

Wachstuchproduktion mit Ausblick und eine Kuh

Das zweistöckige Gebäude der Südindischen Frauenkooperative Hoopoe on a Hill steht, wie der Name andeutet, hoch oben an einem Hügel. Von dort kann man den Blick schweifen lassen über terrassierte Gemüsefelder und Obstbaumwiesen bis hin zur anderen Talseite und zum Städtchen Kodaikanal.
Sheila ist eine der acht Hoopoe Frauen und ignoriert das Panorama. Ihr Blick ist auf die Arbeitsfläche unter dem Fenster gerichtet auf der exakt zugeschnittene Stoffstücke liegen die sie bügelt bis sie absolut falten- und knitterfrei sind. Ihre Kolleginnen Rani und Nimi sind für die Wachsapplikation zuständig. ‚Wir haben lange experimentiert und viele, viele Versuche gemacht bis wir die richtige Mischung gefunden hatten‘, sagt Nishita Vasant, eine der beiden Hoopoe Gründerinnen. Baumharz ist ein Bestandteil, es wird in Blöcken geliefert und muss von Hand zerkleinert werden. Aber noch wichtiger ist natürlich Wachs. Es stammt von der indischen Honigbienenspezies ‚Felsenbiene’ (Apis dorsata), die auch hier in diesem östlichsten Ausläufer der Western Ghats Berge heimisch ist. (Mehr über die Honigsammler erfahren Sie in ‚Wilde Bienen, Wachs und Wälder‘). Das Wachst wird mehrfach gefiltert, mit dem Harz vermischt und unter Rühren langsam erwärmt. Nach gut einer halben Stunde hat die Masse die Konsistenz von Sirup. Rani legt eines der frisch gebügelten Tücher auf ein Backblech, taucht einen breiten Pinsel in die Wachsmasse und trägt sie gleichmäßig dünn auf. Für ein paar Minuten wird das Tuch in einem Ofen getrocknet, dann hebt Rani es mit Hilfe von zwei Metallklammern vom Blech, schwenkt es zum Abkühlen und hängt es dann vorsichtig an eine Wäscheleine. Dort bleibt es für zwei Wochen, bis die Wachsschicht die richtige Konsistenz und Bindung hat.
Shobna und Sivaka sind nicht nur für den Zuschnitt des Baumwollstoffes zuständig, sie versäubern auch die fertigen Tücher mit einer Zackenschere bevor sie mit einem Seilzug durch eine Luke in den oberen Stock befördert werden. Hier wird die fertige Ware verpackt und für den Versand zusammengestellt.
Nishita Vasant und Priya Mani gründeten Hoopoe 2016. Aus ihrer Arbeit bei und mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen wussten beide, dass der beste Weg, benachteiligten, indigenen Gruppen und insbesondere Frauen zu helfen der ist, Einkommensmöglichkeiten zu schaffen.
Einen Job zu finden sollte eigentlich in Kodaikanal kein Problem sein. Auf über 2000m Höhe gelegen hat das Städtchen ein moderates Klima, in den meisten Regionen Indiens ist es zwischen April und August unerträglich heiß, und wer kann flieht in die Berge. Die Pensionen, Hotels, Restaurants, Souvenirstände und der Bootsverleih am künstlichen See mitten im Ort suchen oft nach MitarbeiterInnen. Aber dafür muss man in Kodaikanal wohnen oder dorthin gelangen können.
Keine der Frauen, die heute bei Hoopoe arbeiten, hat ein Moped oder gar ein Auto. Und der Bus nach Kodaikanal fährt nur zweimal am Tag. Damit bleiben nur schlecht bezahlte, saisonale Jobs in der Landwirtschaft – oder eben das große Glück einen Job bei Hoopoe zu bekommen.
‚Wann bekommen wir neue Aufträge?‘ ist die erste Frage, die die Frauen stellen, als wir bei einer Tasse Tee zusammensitzen. ‚Wenn genügend Menschen entdecken, wie schön, nützlich und gut für die Umwelt die Hoopoe Wachstücher sind und sie kaufen‘, ist natürlich nicht die Antwort, auf die die Frauen gehofft haben. Das bisherige Einkommen hat ihr Leben und das ihrer Familien schon jetzt zum Besseren verändert: Rani ist dabei den Kredit abzuzahlen, den ihr Mann in ihrem Namen aber ohne ihr Wissen aufgenommen hat. Sheilas Vater ist Obsthändler, die Geschäfte gehen wegen Covids nicht gut, aber sie ist jetzt in der Lage, ihre Eltern finanziell zu unterstützen. Nimi konnte sich endlich einen Fernseher leisten. Shivaka hat eine Kuh gekauft und verdient jetzt zusätzlich Geld durch den Verkauf der Milch. Und Shobna hat einen Sparvertrag eingerichtet: eine gute Ausbildung kostet in Indien Geld und ihr heute achtjähriger Sohn und die zweijährige Tochter sollen einmal frei entscheiden können, welchen Beruf sie ergreifen und was sie studieren wollen. 
Während des Gesprächs wird klar: die Frauen arbeiten nicht nur gut zusammen und haben Spaß dabei, sie vertrauen einander, Probleme werden offen diskutiert und, mit den einfühlsamen Kommentaren von Nishita und Priya werden Lösungen gefunden. Über die Arbeit bei Hoopoe haben die Frauen nicht nur ein eigenes Einkommen, sie sind selbstbewusster und freier geworden.
Und sie sind stolz auf die Wachstücher die sie herstellen. Besonders das Dschungelbuch Design lieben alle – und den Gedanken, dass sie Wachstücher gefertigt haben in denen Kinder in einem anderen Land jeden Tag ihr Frühstück mit in die Schule oder den Kindergarten nehmen.